Stefan K. Beck, Privatgelehrter und Projektemacher

Indianer

Präkolumbische Kulturen in Venezuela

Die indianische Geschichte Venezuelas ist vergleichsweise arm an Höhepunkten, wie sie in den anderen Reiseländern gehäuft anzutreffen sind. Entsprechend einfach ist die Einteilung:

Die paläoindianische Periode von vor 17000 bis 7000 Jahren ist durch die Einwanderung steinzeitlicher Jäger und Sammler und deren Platznahme im heutigen Venezuela gekennzeichnet. Schon aus dieser Phase sind Kultgegenstände und Felsmalereien bekannt, die aber wahrscheinlich bereits mit den ersten Einwanderern kamen. (An dieser Stelle sei an das Geißenklösterle und die Vogelhöhle in der Schwäbischen Alb erinnert, die Alter von bis zu vierzigtausend Jahren aufweisen.)

Während der mesoindianischen Periode, die vor dreitausend Jahren endete, löste die Kultivierung einiger Agrarpflanzen das Jagen und Sammeln nicht wirklich ab, auch weil sich die Zentren der Kulturen an die Küste und und einige Inseln davor verlagerten. Durch den Klimawandel mußte nun vermehrt das Meer zur Deckung des Nahrungsbedarfs dienen. Damit einher gingen eine nicht sehr ausgeprägte soziale Differenzierung und der Beginn der des Handels. In diese Zeit fällt auch die Herstellung erster Keramiken.

Die neoindianische Periode, von tausend vor bis etwa fünfzehnhundert nach der Zeitenwende, ist gekennzeichnet durch stabile Siedlungskulturen mit dem Beginn der echten Architektur, verfeinerte Keramiken und erweitertem Ackerbau. Der Handel erlebte eine Blüte, wie Funde von Süßwasserscheckenhäusern, die als Geld verwendet wurden, zeigen. Da Handelsbeziehungen bis ins heutige Peru nachgewiesen sind, ist davon auszugehen, daß einige der Techniken und Gesellschaftsstrukturen importiert und angepaßt wurden. Letztere waren feiner ausgeprägt, aber über die Stufe von Häuptlingstümern kam man nicht hinaus. Während dieser Periode entstanden die immerhin 320 Petroglyphen (Felsritzungen) Venezuelas sowie die Menhiren (Hinkelsteine) und Geoglyphen (Erdzeichnungen). Aus dieser Zeit sind auch Pantomimenspiele und Musikinstrumente bekannt.

Die sich anschließende indohispanische Periode, die bis heute andauert, bestand aus Landnahme, Zwangsarbeit, dem Import afrikanischer Sklaven und einer völkermordartigen Dezimierung der Ureinwohner. Der nicht ermordete und in die von den Spaniern aufgezwungene Gesellschaft assimilierte Rest der Indianer, wurde in unzugängliche Gebiete an den Landesgrenzen abgedrängt.

Ethnisch gesehen lassen sich die Stämme, die die Spanier bei der Eroberung antrafen, in vier Gruppen teilen. Zu den unabhängigen, sprachlich nicht exakt zuordenbaren Stämmen kommen ganz im Westen die Chibchas, die in Kolumbien ihr Hauptverbreitungsgebiet hatten (und daher dort näher behandelt sind). Kennzeichnend für Venezuela sind die Volksgruppen der Cariben und Arawaken:

Trotz der bekannten Probleme bei der Feststellung der Herkunft der Cariben, wird ein ursprünglicher Siedlungsraum ganz im Osten Venezuelas und den Guayanas angenommen. Von dort aus sollen drei große Wanderungsbewegungen (2500 - 1500 v. Chr., 1500 - 400 v. Chr. und 400 - 1000) stattgefunden haben. Die ersten beiden gingen meist entlang von Flüssen Richtung Westen bis ins heutige Kolumbien und an den Maracaibo-See, die letzte entlang der Küste nach Norden und auf die Inseln des Karibischen Meeres. Ob aber nicht schon vorher, während einer der beiden ersten Wanderungsphasen Inseln besiedelt wurden, ist unklar.

Die Herkunft der Arawaken ist noch unklarer, aber wahrscheinlich stammten sie aus dem Amazonasbecken. Auch sie wanderten, offenbar zu verschiedenen Zeiten, denn sowohl am Osthang der ecuadorianischen Anden, als auch der südperuanischen, sind noch heute Indianerstämme ansässig, die Arawak sprechen. Die für Venezuela relevanten Arawakgruppen zogen etwa um 700 entlang des Orinoko und weiter auf die Karibischen Inseln. Dabei wurden sie von den expandierenden Cariben verfolgt. Die Verfolgung ging so weit, daß einige Arawak-Stämme die Inseln wieder verließen und sich an der kolumbianischen Küste erneut niederließen, beziehungsweise ins Innere des Landes vorstießen. Durch diese Wanderungen fanden die Conquistadoren in Venezuela unzusammenhängende Stämme verschiedener Volksgruppen vor, was ihnen die Eroberung erheblich erleichterte.