Stefan K. Beck, Privatgelehrter und Projektemacher
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Tagebuch

Zum Geleit

Zu Beginn des neuen Jahrtausends, unternahm ich eine Radtour, die in 281 Tagen vom Ausgangsort Caracas in Venezuela bis auf den bolivianischen Altiplano von La Paz führte. Da ich keine Fotoausrüstung mitführte, existieren keine Bilder, außer denen, die ich in meiner Erinnerung trage. Stattdessen habe ich Tagebuch geführt und lange Mails an Freunde und Verwandte verschickt. Auf dieser Grundlage habe ich die folgenden Texte nach meiner Rückkehr erstellt. Dies schloß durchaus auch gelegentlich die Nachrecherche für historische Orte und Museen mit ein. Da nicht alles, was ich nachträglich erforscht habe, in dem Reisebericht Platz gefunden hat, habe ich die Erkenntnisse in den anderen Abteilungen der Webseiten als Sachinformation aufbereitet.

Ich reiste alleine und hatte erst kurz vor der Reise damit begonnen, mein Italienisch aus den Tagen meiner Diplomkartierung in Spanisch zu umzuwandeln. Trotz meiner in vieler Hinsicht umfangreichen Vorbereitung, waren die Sprachkenntnisse unverzichtbar. Beispielsweise, um nach dem Weg fragen zu können, wenn der Blick auf die Karte keine eindeutigen Ergebnisse zeitigte, war die Kommunikation wichtig. Die unzähligen privaten Unterhaltungen mit den Einheimischen an der Straße oder in den Läden, waren mir jedoch der Schlüssel zum tieferen Verständnis von Land und Leuten. (Und dabei wird auch immer der Standpunkt schönerweise relativiert.)

In den Texten tauchen zwangsläufig spanische bzw. indianische Wörter, zumeist Quetschua, auf. Zumindest diese richtig auszusprechen, ist eine Grundlage zum Verständnis der (Ich lese deswegen ganz brauchbar Mittelhochdeutsch, weil ich, wann immer ch ein Wort nicht verstehe, mir die Ausspracheregeln in Erinnerung rufe oder das Wort ausspreche. In vielen Fällen erschließt sich damit der Sinn, aber nicht unbedingt die exakte Übersetzung.) Aus diesem Grund habe ich eine kleine Aussprachehilfe für Spanisch in Südamerika beigefügt.

Meinen Geologenkollegen Alexander von Humboldt, der von 1799 bis 1804 in Amerika war, zitiere ich immer wieder, weil, weniger in Venezuela, aber zwischen dem kolumbianischen Cartagena de Indias (von dem man gar nicht genug schwärmen kann) und dem peruanischen Lima, unsere Reiserouten nahezu identisch waren. Da ich seinen Reiseweg vorher nicht genau gekannt hatte, führe ich dies auf die gleichartigen Interessen zurück. (Allerdings habe ich nicht "herborisiert"!) Den Verlauf von Humboldts Reise habe ich kurz unter der Rubrik Geografie umrissen.

Die Texte stellen eine Mischung aus Angaben für Radfahrer, persönlichen Erlebnissen, aber auch Hintergrundinformation zur Kultur dar. Der Besuch unzähliger Museen, die Besichtigung alter Ruinen und Ausgrabungsstätten, sowie von Forschungs- und Lehranstalten, vermitteln ein umfangreiches Bild vom Leben in den fünf bereisten Ländern. Die sorgfältig ausgewählten Reiseführer, die ich benutzt habe, stellten eine gute Basis dar, aber einiges habe ich erst durch Nachfragen vor Ort in Erfahrung bringen können.

Route

Eine Karte mit der Route existiert zwar, ist aber aus rechtlichen Gründen nicht internettauglich. Daher ein grober Überblick: von Caracas verlief mein Weg über Valencia ans Meer. Anschließend fuhr ich entlang der Küste über den alten Welser-Stützpunkt Coro nach Maracaibo, das mit seinen europäischen Fassaden des 18. und 19. Jahrhunderts glänzen kann. Über die trockene Guajira-Halbinsel, erreichte ich Kolumbien, wo ich der Küste von Santa Marta nach Cartagena folgte. Eine Zeitlang radelte ich Richtung Südosten, um mich dann auf dem Rio Magdalena fortzubewegen. Im Bucaramanga war ich auf der Ostkordillere, der ich bis Bogotá folgte. Ein Knick nach Westen, brachte mich zurück ins Magdalenatal und zwischen der Zentral- und der Westkordillere bewegte ich mich am Río Cauca entlang nach Cali und Popayán. Durch das sich anschließende Tal des Río Patío, fuhr ich weiter nach Süden, über Pasto nach Ecuador..

Hier folgte ich der Kordillere von Quito über Cuenca nach Loja. In gerader Verlängerung dieser Linie, verließ ich an einem unglaublichen Grenzübergang das Land und war in Peru. Dort schlug der Versuch fehl, nach Südosten zu den Wolkenkriegern von Chachapoyas (Kuelap) vorzustoßen. Daher begab ich mich an die Küste nach Ciclayo. Durch die Küstenwüste fahrend, erreichte ich Trujillo, Chimbote und Lima. Von dort aus quälte ich mich die Anden hinauf, höher als der Mont Blanc! In ziemlich deftigen Etappen auf der Hochkordillere, erreichte ich Huancayo, Ayacucho und Cusco, die alte Inkahauptstadt. Weiter nach Süden, reiste ich an den Titicacasee und entlang diesem nach Bolivien. In La Paz endete die Reise. Vor dem Rückflug nach Europa, verbrachte ich einen wohlverdienten Urlaub in Cartagena.

Ob ich tostado sei, was soviel wie "nicht ganz gebacken" bedeutet, hat man mich aber nur in den von der Guerilla kontrollierten Zonen Kolumbiens gefragt. Allerdings hat mich auch, vor dem Hintergrund der Königskordillere und dem Titicacasee, ein alter Mann auch caballero genannt. Auf dem Fahrrad, wettergegerbt und hochandengestählt, vielleicht auch kein Wunder, daß er den Eindruck eines Ritters hatte.


Die 76 Einzeltexte erfordern zur besseren Übersichtlichkeit ein

Inhaltsverzeichnis.


© Stefan Beck 2013


Anmerkung in eigener Sache

Das Lesen von Texten beschränkt sich keineswegs auf das Verständnis von Buchstaben und Worten. Es ist vielmehr ein grundsätzliches Verständnis von Texten erforderlich, um diese auch tatsächlich zu begreifen. Insbesondere, wenn man glaubt, sich auf Stichproben beschränken zu können, entsteht zwangsläufig ein falscher Eindruck. Da bleibt der Gesamteindruck oft hinter einzelnen Worten zurück. Ich stelle daher fest:

Eventuelle Fehleinschätzungen, ich sei Rassist, weil man mal über ein Wort stolpert, sind an den Haaren herbeigezogen. Bereits in 80er den Jahren befand sich unter meinen US-amerikanischen Freunden auch ein Schwarzer. Als ich 1999 in Mandelas Südafrika Arbeit gesucht habe, erhielt ich auch eine Einladung in die South-Western Townships von Johannesburg. Drei Stunden nach Einbruch der Dunkelheit, hätte ich, beim leisesten Zweifel, Soweto sicher nicht lebend verlassen. Als ich 2009/10 im multiethnischen Medellín gewohnt habe, kam ich durchaus in die Lage, feststellen zu müssen, daß ich es vorzog, bei den Opfern und nicht den Erstwelttätern zu leben. Wer's immer noch nicht glaubt, kann sich bei meinem Nachbarn lächerlich machen: der Inder wohnt seit zwölf Jahren, mit seiner Frau und mittlerweile auch Kindern, im selben Vierparteienhaus.

Die Worte des Anstoßes sind tatsächlich Stolpersteine, denn hier geht es um das, was ich die Deutsche Dummheit nenne: das Herumpfuschen an Symptomen mit dem Holzhammer. Der Erfolg der Alliierten nach dem 2. Weltkrieg mit dem Verbot, das Wort „Heil“ zu benutzen, zeigt sich eindrucksvoll an der verhältnismäßig geringen Anzahl von Strafprozessen an den Nazi-Tätern und der noch geringeren Anzahl an Verurteilungen bis in die 60er Jahre. Als Weißer bin ich fast nie diskriminiert worden und habe daher keine Probleme, mich auch so nennen zu lassen. Da aber insbesondere Afros eine solche Unkultur seit dem 16. Jahrhundert fortgesetzt erleben, habe ich Verständnis dafür, daß sie nicht auf ihre Hautfarbe reduziert werden wollen und den hier benutzten Ausdruck vorziehen. Insofern ist es richtig, ethnisch herabwürdigende Worte zu ächten, auch wenn gerade aktuell (2. Maiviertel) ein Betroffener von überzogenen Maßnahmen gegen seinen Verbalangreifer sprach. Allerdings ist dies nur ein Teil der Wahrheit, auf die ich hier aufmerksam machen will. Das Problem ist nicht erst seit 2020 aktuell, sondern bereits seit Jahrzehnten bekannt, aber vor den längst überfälligen mittel- und langfristigen Maßnahmen ist nichts sichtbar. Hierzulande stammen die dazugehörigen Ideen aus der deutschen Kolonialzeit, die es so nicht hätte geben müssen. Die preußische Großmannssucht, die zur Schande des zweiten Aufgusses des einzig wahren Reiches führte, begann bereits Ende 1815 auf dem Wiener Kongreß. Solche und weitere, für einige unangenehme, Darstellungen hätten längst Schulstoff sein müssen. In Südafrika bin ich auf auf rassistisch eingestellte Rechtsradikale gestoßen, was zu dem mittelfristig realisierbaren Gedanken führte, jugendliche rechte Straftäter in einem kontrollierten Projekt mit ihren ethnischen Pendants hier und in Südafrika die Nähe aufbauen zu lassen, die rassistische Gedanken ein für allemal ausmerzt. Kurzfristig hilft es immer, den Lebensstandard von denen anzuheben, die glauben, Ausländer würden zu deren Lasten leben. Spezialisten auf diesem Gebiet haben sicher noch weitere gute Ideen — man müßte es nur wollen.



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